NEULAND

Osterweiterung der FIA European Truckracing Championship: Zum ersten Mal seit längerer Zeit fand wieder ein Truckrennen in einem Land stand, das bislang nicht im Kalender vertreten war. Die Rennstrecke im polnischen Poznan hatte sich erfolgreich darum bemüht, einen Lauf ausrichten zu dürfen. Was irgendwie ins Muster passt, wenn man den aktuellen Terminplan mit den Austragungsorten der Serie zum Beispiel vor zehn Jahren vergleicht. Seitdem sind die Rennen in der Slowakei und Ungarn dazu gekommen (wobei der Hungaroring in diesem Jahr pausiert). Das vergangene Wochenende erinnerte in mancherlei Hinsicht auch an die Rennen im finnischen Alastaro (von den aktuellen Fahrern waren damals nur Antonio Albacete und Jochen Hahn dabei) und an das dreijährige Gastspiel der ETRC im russischen Smolensk: Die finnische Rennstrecke liegt ebenfalls „mitten im Wald“ und in Smolensk mussten sich aufgrund der nicht oder nur teilweise vorhandenen Infrastruktur alle Beteiligten mit viel Improvisationstalent durchwursteln. 

Das betrifft auch die Voraussetzungen, unter denen die Fahrer ihrem Job nachgehen. So gibt es in Poznan zum Beispiel am Ende der Start-Zielgeraden kein Kiesbett – wer hier von der Strecke abkommt, rollt im günstigsten Fall auf Steppengras aus. An anderer Stelle dürfte im Ernstfall der dichte Wald als „Fangzaun“ dienen. Auch eine durchgehende Service-Road sucht man auf dem polnischen Circuit vergebens. 

Dafür waren Neugier und Interesse der polnischen Motorsportfans riesengroß, das Rennwochenende war gut besucht. Die vielen Gäste sorgten beim Waldspaziergang für idyllische Bilder, im Paddock und nach den Siegerehrungen mussten die Helden der Rennstrecke für jede Menge Selfies herhalten.

 

Neuer Austragungsort, aber der immer gleiche Sieger: Norbert Kiss drückte auch dem dritten Event der aktuellen EM-Saison seinen Stempel auf. Eine unbekannte Rennstrecke ist erwartungsgemäß nichts, was den Fahrer mit der Startnummer 1 irgendwie bremsen würde. Am Ende der beiden Qualifing-Sessions stand der Ungar wie gehabt ganz oben in der Ergebnisliste, am Samstag mit knapp einer halben Sekunde Vorsprung auf Jochen Hahn, der wiederum Sascha Lenz und Antonio Albacete knapp überflügelt hatte. Am Sonntag war Albacete mit sechs Zehntel Zweitschnellster, Hahn und Lenz folgten auf den Plätzen drei und vier. 

Wer sich in Poznan die Pole Position in den Rennen 1 und 3 sichern würde, war ebensowenig ein großes Rätsel wie die Frage, wer bei einem „normalen“ Rennverlauf hinterher ganz oben auf dem Siegerpodest stehen würde. Wie gewohnt enteilte Kiss dem Rest des Feldes beizeiten und spulte seine Runden mit der Präzision einer Atomuhr ab. Bei der Siegerehrung wurde er an beiden Tagen von Jochen Hahn und Sascha Lenz eingerahmt.

Spannender war die Frage, wer sich in den Rennen zwei und vier durchsetzen würde. Da lieferte am Samstag Race-by-Race-Fahrer Lukas Hahn wieder einmal eine Kostprobe seines Talents ab. Der Youngster behielt die Nerven und den Überblick und gewann zum zweiten Mal in seiner jungen Karriere einen EM-Lauf, vor Steffi Halm und dem Briten Jamie Anderson.

 Der wiederum geriet an diesem Wochenende mehrmals mit Antonio Albacete aneinander. Dadurch wurde der Spanier im Auftaktrennen weit zurückgeworfen, das Championshiprace 3 musste nach einem vorübergehenden Ausfall Albacetes ein zweites Mal gestartet werden. Der Ex-Champion konnte nach kurzer Reparatur zwar zum Neustart antreten, allerdings nur am Ende des Feldes. Für das Pech entschädigte sich Albacete dann im letzten Lauf mit einem nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg. Für Spannung in diesem Finale sorgte einmal mehr Norbi Kiss, der vom achten Startplatz aus ins Rennen gegangen war und sich gewohnt souverän durchs Feld pflügte – Sascha Lenz musste Schwerstarbeit verrichten, um seinen zweiten Platz vor dem stürmischen Ungarn bis zum Ende der Elf-Runden-Distanz zu verteidigen. 

Ein Fahrer dürfte Poznan vermutlich nicht in guter Erinnerung behalten. Scania-Fan Clemens Hecker reiste vorzeitig aus Polen ab. Der Grund dafür: Ein Motorschaden an seinem Renntruck, der sich vor Ort nicht beheben ließ; ein Ersatztriebwerk hatte Hecker nicht zur Verfügung.

Das nächste Rennen ist der Saisonhöhepunkt auf dem Nürburgring. Der Europameister der beiden letzten Jahre kommt Mitte Juli mit einem 30-Punkte-Vorsprung auf Jochen Hahn in die Eifel. Hahn wiederum hat nach Poznan im Duell der beiden deutschen Verfolger des erneuten Titelfavoriten ein kleines Polster von 17 Punkten auf Sascha Lenz. Vor das nächste deutsche Duett André Kursim und Steffi Halm hat sich Antonio Albacete eingereiht. Der Spanier rangiert nur zwei Punkte hinter Lenz, der damit bei seinem Heimrennen gefordert ist, um mindestens den Bronzeplatz zu verteidigen.