Eigentlich schade

Schuld sind immer die anderen – nach dieser Devise zeigen auch die Truckracer bevorzugt auf einen Konkurrenten, wenn es wieder einmal zu heftig zuging auf der Rennstrecke mit entsprechendem Verschleiß von Kunststoff- oder Metallteilen. Auch Gerd Körber ist in der Hinsicht kein Unschuldslamm. Aber „Mr. Truckrace“ war bemerkenswert ehrlich, als er in Misano gestand, die Gründe für seine aktuell unbefriedigende Performance lägen ausschließlich bei ihm. Er habe einfach massive Probleme, sich auf das von Jochen Hahn gebaute Fahrzeug einzustellen: „Das ist ganz anders konstruiert als die Trucks, die ich bisher gefahren bin und mit denen ich gut zurecht kam.“ Die Schwierigkeiten des altgedienten Motorsportlers sind seit dem Rennen in Italien sicher nicht weniger geworden. Zumindest von außen drängt sich der Eindruck auf, dass Gerd inzwischen einen kompletten Reset bräuchte. Dass er exzellent fahren kann, hat er ja oft genug bewiesen – aber (Motor-)Sportler sind halt mitunter ebenso sensibel wie ihre Maschinen. Wenn es einmal gründlich hakt, setzen sich die Probleme allmählich fest und wachsen sich schnell zu einer mentalen Blockade aus, die dann nur sehr schwer zu knacken ist. Salopp gesagt, dreht man sich dann im Kreis, es läuft überhaupt nichts mehr und selbst  simpelste Abläufe können misslingen.

Schade eigentlich, man hätte Gerd gewünscht, dass er sein 30-jähriges Jubiläum als Truckracer mit viel Lametta und Champagner feiern kann und nicht resigniert ans Aufhören denkt. Aber vielleicht gibt es ja an den beiden ausstehenden Rennwochenenden noch ein Erfolgserlebnis für den Jubilar. Es wäre ihm (und seinem Team) jedenfalls zu wünschen. 

STERNSTUNDE

Wann hat es das zum Letzten Mal gegeben, einen Doppelsieg von Trucks mit dem Mercedes-Stern im Frontgrill? Gefühlt ist das eine kleine Ewigkeit her. In der siebten Runde der Truckrace-Europameisterschaft 2017 liefen die beiden Fahrer des Teams Tankpool 24, das zwei Renntrucks auf Basis des Mercedes-Benz Actros einsetzt, zu großer Form auf und räumten den Großteil der Pokale ab. Von Norbert Kiss weiß man ja schon lange, dass er ein exzellenter Fahrer ist und Rennen gewinnen kann. Doch bei seinem Teamkollegen André Kursim dauerte es ein wenig, eher der Knoten jetzt doch geplatzt ist. In Most war Kursim noch vom Pech verfolgt, er musste seinen "Benz" schon während des ersten Qualifyings aufgrund eines Motordefekts vorzeitig abstellen und konnte sich den Rest des Wochendes nur vom Rennstreckenrand aus ansehen. Umso fulminanter kam der Youngster in Zolder zurück. Kursim gewann mit einer famosen Leistung das zweite Samstagsrennen - vor seinem Teamkollegen Kiss, der zuvor schon im Championshiprace 1 triumphiert hatte. Weil's so schön war, ließ der junge Motorsportler aus Fulda seinem ersten Erfolg in einem FIA-Lauf am Sonntag gleich den nächsten folgen. Auch im vierten Rennen war Kursim äußerst flott unterwegs, der Zweitplatzierte David Vrsecky sah das Heck des Mercedes-Renntrucks jedenfalls nur in weiter Ferne. Achteinhalb Sekunden lagen nach zwölf Runden zwischen dem Sieger und dem Schnellsten der Besiegten. Auf Platz drei in diesem Lauf: klar, Norbi Kiss mit seinem Mercedes.

EM-Spitzenreiter Adam Lacko hatte Glück, nicht zum großen Verlierer des Wochenendes zu werden. Im CR 1, also ausgerechnet in einem 20-Punkte-Rennen, gab das Getriebe in seinem Freightliner den Geist auf. Lacko musste vorzeitig zurück ins Paddock, Verfolger Hahn (er wurde in dem Lauf Zweiter) nahm die 15:0 Punkte selbstverständlich gerne mit. Weil Lacko am Sonntag im dritten Lauf gewann und Hahn im abschließenden Rennen Probleme hatte, hielt sich am Ende der Verlust für den Titelfavoriten in Grenzen, er führt mit immer noch komfortablem Vorsprung von 53 Punkten. Die Chance, den Titel in Le Mans vorzeitig zu gewinnen, hat der Tscheche also immer noch - dafür müssten aber beide, Truck und Fahrer, eine fehlerfreie Performance schaffen. 

Ungewohnt: Die Siegerehrungen in Zolder waren mal wieder eine reine Männerdomäne, Steffi Halms umfangreiche Trophäensammlung bekam an diesem Wochenende keinen Zuwachs. Im ersten Rennen donnerte die einzige Frau im Starterfeld in der neunten Runde mit gebrochener Feder in einen Reifenstapel, in den verbleibenden drei Rennen kam sie auf die Plätze sieben, vier und sechs.



ZOLDER 2017 IN BILDERN