WETTERANARCHIE UND EIN GEKÜRZTES PROGRAMM

Wenn nichts mehr normal ist, dann ist das normal beim Deutschen Truck Grand Prix auf dem Nürburgring. Es gibt wohl keine andere Veranstaltung im Jahreskalender der Truck Racer, die es an Verrücktheit mit dem größten und wichtigsten Event aufnehmen kann. Irgendwie klingt das Ganze unglaublich, aber jeder einzelne der inzwischen 32 Truck Grand Prix’ hat seine eigene, sehr spezielle und unverwechselbare Geschichte. Bei der jüngsten Auflage war es wieder einmal das Wetter, das der Veranstaltung seinen Stempel aufdrückte, sowie der Brite Stuart Oliver, der unfreiwillig dafür sorgte, dass der Truck Grand Prix früher als geplant zu Ende ging.

„Am Sonntag soll es besser werden. Steht so in meiner Wetter-App“: Der Satz war nach zweieinhalb verregneten Tagen of zu hören. Aber Wetter-Apps mögen andernorts funktionieren, das Wetter über dem Nürburgring hatte schon immer einen Hang zur Anarchie. Zuverlässige Voraussagen lassen sich da nur für die jeweils nächste Viertelstunde machen, den Eindruck hat man jedenfalls als Nicht-Eifelbewohner nach vielen Einsätzen beim Truck Grand Prix. Die beiden vergangenen Jahre mit jeweils Dauer-Sonnenschein muss man so gesehen als äußerst ungewöhnlich verbuchen, mehr oder weniger intensive Regenschauer unterschiedlicher Dauer sind ansonsten fester Bestandteil der Veranstaltung. Was in diesem Jahr dazu führte, dass sich das Feuerwerk größtenteils hinter den tieffliegenden Wolken abspielte. Die wurden aufs Feinste indirekt von hinten beleuchtet, aber von den funkelnden Sternen, Feuerschweifen und Pyro-Schauern bekamen die Besucher in der Müllenbachschleife wenig mit.  

Ach ja, Rennen wurde auch gefahren am Ring: Jeweils dreimal gingen die Teilnehmer an der FIA European Truck Racing Championship und am Mittelrhein-Cup an den Start. Eine doppelte Teilnahme war in diesem Jahr aufgrund des dicht gedrängten Zeitplans nicht möglich. Einige Fahrer – unter anderem der unverwüstliche Heinz-Werner Lenz, der in diesem Jahr seinen 30. Auftritt am Ring feierte – hatten dies im Vorfeld zwar erwogen, aber aus unterschiedlichen Gründen kam es dann doch nicht dazu. Der Mittelrhein-Cup wurde wie gehabt für die Britische Meisterschaft gewertet, und weil die BTRA richtig brummt, war es am Ende sogar so, dass sich einige Fahrer auf der Basis race-to-race in die EM-Rennliste einschrieben, weil die Maximalanzahl der bei Truckrennen erlaubten Fahrzeuge beim MRC erreicht war. Wenngleich bei den Briten der eine oder andere Truck noch qualmt wie eine alte Dampflok, sind die Rennen dieser Serie keineswegs zweitklassig. Die Briten gehen wenig zimperlich zur Sache, es gibt viele und schöne Überholmanöver und aufgrund des speziellen Reglements viele verschiedene Sieger. In diesem Jahr waren das unter anderem Stuart Oliver und Ryan Smith.

Im Gegensatz dazu stand nach den drei Championshiprennen der FIA-Starter immer derselbe Akteur ganz oben auf dem Siegertreppchen. Adam Lacko ließ es richtig krachen und dem Rest des Feldes nicht den Hauch einer Chance. Der Tscheche hat momentan offenbar einen guten Lauf. Nachdem er den Auftakt in Österreich einigermaßen „vergeigt“ hatte, präsentierte er sich schon in Misano in Topform, holte sich dort 58 von 60 möglichen Punkten und am Nürburgring 50 von 50 möglichen. Jochen Hahn und Steffi Halm – im Gesamtklassement die Verfolger von Spitzenreiter Lacko – bleiben deutlich hinter ihren Erwartungen zurück. Auch Norbert Kiss, am Sonntag Pole-Setter und Antonio Albacete, der diesmal viel Pech hatte, konnten Lacko nicht bremsen. Hahn schob sein „schlechtes“ Abschneiden (schlecht ist in diesem Zusammenhang relativ – andere Fahrer wären froh, Hahns Resultate einzufahren, aber für einen vierfachen Champion gelten eben andere Maßstäbe) auf das Wetter. Bei Regen sei sein neu aufgebauter Iveco sicher nicht das Maß der Dinge, erklärte der Schwarzwälder. Und der Dauerregen spielte auch bei Steffi Halm die entscheidende Rolle. Sie gibt freimütig zu, dass sie sich auf nasser Fahrbahn nicht besonders wohl fühlt, was ebenfalls relativ zu sehen ist: Die einzige Frau im Starterfeld mischt bei derartigen Verhältnissen dann eben nicht in den Top 3 mit, sondern steht als Siebte, Fünfte und Sechste in den Ergebnislisten. Gerd Körber ist immer noch in der "Findungsphase". Sein neuer Truck wurde ja von Jochen Jahn konzipiert, Körpers Team Schwabentruck und Hahn machten beim Bau der Fahrzeuge gemeinsame Sache. "Die Trucks von Jochen sind sicher super," sagte Körper, der in diesem Jahr e30 Jahre lang dabei ist und daher am Freitagabend mit einer Überraschungsparty gefeiert wurde. "Aber das Fahrwerk ist ganz anders, als ich das gewohnt bin. Manchmal fühle ich mich da noch richtig unsicher. Ich muss mich erst daran gewöhnen, das geht eben nicht nach einem oder zwei Rennen."

Zurück zum Briten Stuart Oliver. „Der kann dir viele Tage versauen,“ meinte sein Landsmann Mats Summerfield breit grinsend nach dem Desaster, das der frühere Europameister ausgelöst hatte und der Feststellung, Oliver habe wohl den Nürburgring-Sonntag versaut. Das Malheur passierte am Sonntag gegen 13 Uhr in der Einführungsrunde zum abschließenden vierten Rennen um den Mittelrhein-Cup. Da bekleckerte Oliver vermutlich aufgrund einer gebrochenen Treibstoffleitung die komplette, 3629 Meter lange Rennstrecke mit einer Ölspur. Die Streckenposten mussten zum Großeinsatz ausrücken und verteilten den Inhalt von unzähligen Säcken und Kanistern mit Bindemittel auf der Piste. Danach wurde gekehrt und noch mehr Bindemittel gestreut, ehe nach zwei Stunden die Entscheidung fiel: Es geht nicht, aus Sicherheitsgründen wird das restliche Programm abgesagt. Wobei auch da das Wetter die entscheidende Rolle spielte. Auf trockener Fahrbahn und bei sommerlichen Temperaturen hätte das Bindemittel wohl ausgereicht, um den Nürburgring wieder befahrbar zu machen. Da aber weitere Regenschauer angekündigt waren, war die Entscheidung wohl unausweichlich. „Das Bindemittel ist ja für Öl oder Treibstoff, wenn Wasser dazu kommt, wird’s katastrophal,“ hatte einer der Marshals am Posten 12 schon geunkt, ehe die Entscheidung noch publik gemacht worden war.

Damit ging der 32. Internationale ADAC Truck Grand Prix ohne viertes Rennen um den Mittelrhein-Cup, mit drei anstelle der üblichen vier Championshiprennen in der FIA-EM und vor allem ohne Truck Korso zu Ende. Der sollte diesmal, eine Novität, am Sonntagnachmittag das krönende Ende der Veranstaltung bilden. Es kam anders, wie so oft, wenn die Trucks auf den Nürburgring kommen. 

DER TRUCK GRAND PRIX 2017 IN BILDERN

Truck Grand Prix Nürburgring Adam Lacko