Sogar in der offiziellen Pressemitteilung der ETRA wurde das Gastspiel der European Truckrace Championship in der Lausitz als „Premiere“ angekündigt. Kein Wunder, denn von den Protagonisten, die bei der eigentlichen Premiere vor 23 Jahren mit dabei waren, sind nur noch wenige Leute aktiv. Im Fahrerfeld sind das nur Antonio Albacete, der damals, im Oktober 2002, in der Endphase der Prototypenklasse auf einem der vom tschechischen Buggyra-Team gebauten „Mondfahrzeuge“ am Start war. Und natürlich Jochen Hahn, im grau-weißen Mercedes mit der Startnummer 42. Im kalten Herbst sorgte Heinz-Werner Lenz für eine heiße Einlage, dessen brasilianischer Mercedes-Hauber buchstäblich Feuer und Flamme war. Hahn startete mit seinem Daimler ebenso wie Lenz senior in der Race-Class, in der damals das Duell zwischen Lutz Bernau und Egon Allgäuer ähnlich spannungsgeladen war wie in den letzten Jahren der Zweikampf von Hahn mit Norbert Kiss.
Womit der Bogen zum zweiten Gastspiel der schweren Motorsportgeräte auf der Strecke im einstigen Braunkohlerevier geschlagen wäre: Einen Rekord vom vergangenen Jahr kann Kiss in diesem Jahr nicht mehr erreichen (genau genommen war das nach Kiss‘ technischen Ausfall in Misano schon nicht mehr möglich). Etwas überraschend musste sich der Ungar im ersten Qualifying Jochen Hahn um die Winzigkeit von 77 Hundertstel Sekunden geschlagen geben. Hahn wusste selbst nicht zu sagen, wann er seinen Kontrahenten das letzte Mal im direkten Zweikampf gegen die Uhr besiegt hatte. Aber mehr als einen symbolischen Wert hatte der Erfolg auch nicht, denn im ersten Rennen war der rote MAN nicht zu halten, Kiss setzte sich nach wenigen Runden vor den blau-weißen Iveco und gewann am Ende mit deutlichem Vorsprung.
Ein Durchmarsch wie noch in Misano wurde es dann aber doch nicht. Im zweiten Championshiprace setzte sich Lokalmatador René Reinert durch – wobei das ja auch zu einem Teil das Verdienst von Kiss und seinem Revesz-Team ist. Reinert hatte in der Winterpause den alten Kiss-Truck als Gebrauchtfahrzeug erworben und fährt damit deutlich andere Ergebnisse ein als in früheren Jahren. Es kommt also nicht nur auf die fahrerischen Qualitäten, sondern auch auf das Material an. Mit Reinert auf dem Podium: Mark Taylor, der als Führender ins Rennen gegangen war und später seinen zweiten Platz zäh verteidigt hatte, sowie Sascha Lenz als Drittplatzierter.
Am Sonntag sorgte Norbert Kiss dann dafür, dass nach dem Qualifying die inzwischen gewohnte Reihenfolge auf den beiden Top-Plätzen wieder in Ordnung war: Er lieferte die schnellste Rundenzeit ab und blieb dabei an diesem Wochenende als einziger Truck-Fahrer unter 1:47 min.; Hahn musste sich mit dem zweiten Platz begnügen. Erneut ganz stark: Steffi Halm, die wie schon am Vortag mit der drittschnellsten Runde aufhorchen ließ. Die Platzierung aus dem Qualifying konnte Halm auch in den Championshipraces verteidigen, sie kam in den beiden 20-Punkte-Rennen jeweils als Dritte über den Zielstrich und rangiert auch in der Gesamtwertung auf Platz 3.
Der Sonntagnachmittag brachte dann einerseits schlechtes Wetter und andererseits den aus Sicht der Truckracer ohnehin schwierigen Zeitplan gewaltig durcheinander: Im Rennen der Prototypenserie kam es während heftiger Regenschauer zu mehreren Unfällen. Dabei wurde Öl auf der nassen Fahrbahn verteilt, so dass sich die Rennleitung nach einer Inspektionsrunde entschloss, den vierten Lauf der Truckracer – dessen Start auf kurz vor 19.00 verschoben worden war – abzusagen. Eine gute Entscheidung – angesichts der Witterungsverhältnisse wäre mit ziemlicher Sicherheit einiges zu Bruch gegangen. Etlichen Crews steckten ja noch die nach dem Saisonauftakt in Misano zu reparierenden Unfallschäden in den Knochen, diesmal bleibt es beim üblichen Service – sofern man nach dem Blick in die Ergebnislisten keine größeren Umbaumaßnahmen plant.