WIE ZU ERWARTEN: KISS BLEIBT CHAMPION

Häufig passieren im Rennsport die unerwarteten Dinge, manchmal läuft aber auch alles „nach Plan“: Dass der amtierende Europameister auch der neue Champion sein würde, war ebenso erwartbar wie der Tag, an dem Norbert Kiss erneut als König der Truckracer feststand. Am Sonntag hatte der ungarische Motorsportler nach dem dritten Championshiprace genügend Punkte auf sein Konto geschaufelt, um auch rechnerisch uneinholbar in Front zu liegen. Über 70 Punkte musste dann der Vorsprung auf den immer noch Zweitplatzierten Jochen Hahn betragen, um bei ausstehenden fünf Wertungsläufen – einer in Le Mans und vier beim Finale am kommenden Wochenende in Jarama – auf der sicheren Seite zu sein. Während die großen Schweinwerfer hauptsächlich auf den Sieger in der Einzelwertung gerichtet sind, gerät leicht in Vergessenheit, dass es auch eine Teamwertung gibt. Die wurde in Le Mans ebenfalls vorzeitig entschieden, die Kombination Révész & T-Sport Bernau (also Kiss und Antonio Albacete) erwies sich 2022 als stärkstes Duo.

Immer noch Zweitplatzierter: Die Einschränkung bezieht sich auf die Tatsache, dass es auch in dieser Saison keinen ernsthaften Zweifel gab, wer am Ende ganz vorne liegen würde. Doch der Kampf um Platz zwei ist unverändert offen und spannend. Zunächst sah es so aus, als könnte Sascha Lenz, der aktuell mit der Startnummer 2 unterwegs ist, in Le Mans den entscheidenden Stich machen. Im ersten Qualifying jedenfalls schwächelte Hahn und musste sich mit der fünftschnellsten Rundenzeit begnügen. Angesichts der Leistungsdichte war dann auch im anschließenden Rennen wenig zu holen für den Altensteiger, Lenz lag nach elf Runden auf dem Silberplatz, Hahn verpasste das Podium, weil auch Antonio Albacete stark unterwegs war und sich die dritte Trophäe sicherte. Im zweiten Lauf gelang es Hahn aber, den Tagesvorsprung des Konkurrenten auf zwei Punkte einzudampfen – im Ziel lag er zwei Plätze vor Lenz.

Am Sonntag ging das Duell der beiden Deutschen weiter – diesmal zeigte Hahn im Qualifying die stärkere Performance und hängte den MAN im Rennen ab, wobei er beim Start sogar Kiss versetzen konnte. Der brauchte kurz, um dieses ungewohnte Ereignis zu verdauen, ehe er sich daran machte, die Spitze zurückzuerobern. Schließlich wollte er in diesem Wettkampf den Titel perfekt machen, da wäre Platz 2 nicht standesgemäß. Im abschließenden Lauf hatte Lenz im Vergleich der Aspiranten auf den Vizetitel die Nase vorne. Ergebnis des Wettstreits: Beide Kombattanten kamen am Sonntagabend auf 35 Punkte als Ausbeute des Wochenendes. Damit bleibt es beim Zwölf-Punkte-Vorsprung für Hahn. Kein dickes Polster, in Jarama kann sich das Blatt noch einmal wenden.

Déjà-vu: Am Nürburgring war es Vater Jochen Hahn, den beim Sieg von Sohn Lukas die Gefühle überwältigten. In Le Mans passierte das gleiche Ex-Truckracer Fabien Calvet. Für dessen Sohn Teo war der Sieg im Rennen 2 zwar nicht der erste Erfolg in der ETRC. Doch als Franzose ausgerechnet auf der berühmten Rennstrecke von Le Mans ein Rennen zu gewinnen, hat eben eine besondere Bedeutung. Calvet junior ist auch ein Kandidat, der in Jarama noch kämpfen muss und die nötige Portion Glück benötigt, um in der Nachwuchswertung Promoters Cup die Spitze behaupten zu können. Die Briten Jamie Anderson und Shane Brereton sind dem Gallier dicht auf den Fersen, beiden hatten in Le Mans eine Dauerkarte für das Podium gelöst.

Die 24 heures Camion waren einmal mehr eine große und perfekt organisierte Veranstaltung vor allem für die Fahrer. Wie gewohnt waren die Tribünen beiderseits der Start- und Zielgeraden am Samstagabend beim Defilee der Showtrucks rappelvoll – zurecht, denn die Parade der schönsten französischen Trucks ist immer wieder eine Augenweide. Darüber hinaus fanden die Chauffeure im Industriepark sowie im Camp der Transportunternehmen jede Menge Unterhaltung und Information. 50 Speditionen und Transporteure hatten je ein Zelt gemietet und nutzten das Truckrennen, um hier für sich und letztlich auch für den Beruf zu werben.  

LE MANS 2022 IN BILDERN